Die Projektion
"Projektion" erinnert an "Projektor", ein Gerät, mit dem man etwas an die Wand wirft. Etwas "hinwerfen", das wäre auch die wörtliche Übersetzung des Begriffes "Projektion".
Ein "Abwehrmechanismus"
In der Psychoanalyse zählt die Projektion zu den Abwehrmechanismen, d.h., man wehrt damit etwas ab, was einem innerlich zu schaffen macht. Aber das Ganze geschieht unbewusst. Abwehrmechanismen arbeiten sozusagen an unserm Verstand vorbei und versuchen uns ohne unser Wissen, eben unbewusst, zu entlasten.
Äußerlich kommt in der Projektion oft ein Vorwurf zum Ausdruck, etwas, was einem am Anderen stört, was ein Anderer falsch macht: "Du Idiot! Was Du da machst, ist doch totaler Mist!"
Psychoanalytisch betrachtet handelt es sich dabei um etwas, was mich selbst an mir stört. Im Anderen sehe ich es und dort kann unser Unbewusstes nun loslegen und über das entsprechende Verhalten "richten". Die Energie gegenüber meinem eigenen "Mist" hat einen Kanal gefunden und ich selbst kann unverändert weitermachen, sofern mich meine eigentlich unerklärbare hohe emotionale Beteiligung nicht stört.
Projektionen in der Bibel
Eine klassische Projektion und ihre Auflösung: Der Prophet Nathan und König David (2. Sam12, 1ff)
In dieser bekannten Geschichte geht es um ein Fehlverhalten König Davids, der sich an eine verheiratete Frau namens Bathseba heranmacht und diese schwängert, während deren Ehemann Uria, einer seiner Offiziere, im Kriegseinsatz an der Front kämpft. Alle Versuche Davids, seinen Offizier im Heimaturlaub dazu zu bewegen, mit seiner Frau zu schlafen und damit den Verdacht von seinem Fehlverhalten wegzulenken, bleiben erfolglos. So schickt ihn David mit dem sog. "Uriabrief" an die Front zurück in einem riskanten Kampfeinsatz und damit in den Tod.
Sein Problem ist zunächst gelöst. Doch der Prophet Nathan - übrigens das Original für "Nathan den Weisen" - soll im Auftrag Gottes den König, der ja in dieser Sache nicht nur die jüdischen Ehegesetze gebrochen, sondern skrupellos einen unschuldigen Menschen in den Tod geschickt hat, zur Rede stellen. Er tut dies, indem er den König in eine Projektionsfalle laufen lässt, was David die Augen öffnet und ihm sein Fehlverhalten bewusst macht.
"Du bist der Mann!" - 2. Sam 12,1ff:
1 Und der HERR sandte Nathan zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. 2 Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder; 3 aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt's wie eine Tochter. 4 Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er's nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war. Und er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war. 5 Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt: Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat! 6 Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat. 7 Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann!
Durch das "Aufdecken" - die Psychoanalyse ist eine "aufdeckende" Therapie -, das Bewusst-Machen der Projektion verhilft Nathan dem für sich selbst "blinden" König zur Einsicht, damit zu innerem Wachstum und zum "Bewusst"-Werden seiner selbst.
Paulus und die "Projektion" - Röm 2,1-4
Interessanterweise formuliert Paulus lange nach der Nathan-David-Geschichte und lange vor Sigmund Freud das Grundprinzip der Projektion und zeigt damit, dass er diesen Abwehrmechanismus durchschaut hat.
1 Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest.