Beim Gemeinschaftschor nach dem Einzug der Kapellen und dem Schaulaufen.
Beim Gemeinschaftschor nach dem Einzug der Kapellen und dem Schaulaufen.

100-jähriges Jubiläum des Musikvereines "Zeitvetreib" Ulsenheim

 

Unser örtlicher Musikverein, der sehr aktiv ist und sich erfolgreich entwickelt hat, feierte am vergangenen Wochenende sein 100-jähriges Bestehen. Durch sein modernes Repertoire und eine gute Gemeinschaft gelingt es dem Verein, auch viele Jugendliche zu begeistern.

 

Seit den 70ger Jahren gibt es zudem eine Partnerschaft mit einem französischen und einem belgischen Musikverein, die bis heute gepflegt wird. Ausgangspunkt dieser europäischen Freundschaft war der Kontakt zu Kriegsgefangenen, die Ende des 2. Weltkrieges in Ulsenheim zum Arbeitseinsatz abkommandiert waren. Einer dieser Gefangenen, der diese Freundschaft maßgeblich mitgestaltete, wurde nach dem Krieg von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt. 

 

Es gab zwar bedauerlicherweise keinen Festgottesdienst, was nicht nur nach meiner Meinung unbedingt dazugehört hätte, aber immerhin konnte ich eine Andacht im Bierzelt gestalten, die zumindest den vorderen Teil der Besucher:innen im Festzelt erreichte. Für alle, die sie nachlesen wollen, stelle ich sie hier auf meine Homepage: 

 

 

Andacht zum 100-järigem Jubiläum des Musikverein Zeitvertreib Ulsenheim 220703 im Festzelt

 

 

Liebe Festgäste,

liebe Musiker und Musikerinnen,

 

vielleicht waren Sie überrascht, jetzt einen Choral zu hören: „Geh aus mein Herz und suche Freud“. Aber allen Unkenrufen zum Trotz darf ich als Vertreter der Kirchengemeinde Ulsenheim an dieser Stelle eine kurze Andacht – oder sagen wir andächtige Worte – einfließen lassen.

 

„Geh aus mein Herz und suche Freud“, eine Einladung nicht nur für dieses Fest, sondern auch dazu, das Leben zu genießen. Dass im Musikverein Zeitvertreib das Leben oftmals in vollen Zügen genossen wird und auch früher genossen wurde, ist allseits bekannt. Und das ist auch gut so, wenn auch so manche Feierlichkeit ganz schön feucht endete. Wir – ich war selbst Mitglieds diese Musikvereines und kurze Zeit auch Dirigent -  haben das offensichtlich ganz gut überlebt.

 

„Geh aus mein Herz und suche Freud“, da sind Punkte angesprochen, die ich für uns Menschen für zentral wichtig halte. Das „Herz“ als Sitz des Inneren und die „Freude“. Das Dunkle und Böse stellt sich meist von selbst ein. Und ich will auch den Klimawandel und den Ukrainekrieg nur stichwortartig nennen. Aber die Freude ist nicht selbstverständlich und dass unser Herz, unser Inneres, mit diesem oftmals schwierigen Leben gut zurechtkommt, ist auch nicht selbstverständlich.

 

Und so blicke ich auf die 100 Jahre Musikverein Zeitvertreib. Ich habe den alten Georg Rothkirch, der den Verein 1922 gegründet hat, noch gekannt. Die Person dieses damals schon alten Mannes strahle immer etwas Gemütliches, Wohltuendes aus, etwas, was dem Leben und dem Herz gut tut. Und wenn wir über die 100 jährige Geschichte des Vereins reden, dann darf auch Vorstand Ernst Uhl nicht fehlen. Er war ganz anders als Georg Rothkirch, da gab es auch mal etwas Ruppicheres. Aber dass heute Kapellen aus Belgien und Frankreich hier mit uns europäische Gemeinschaft und Freundschaft leben, geht auf ihn – und, ohne dass ich das jetzt hier erläutern will - auf den 2. Weltkrieg zurück. Diese völkerübergreifende Freundschaft ist gerade in der unserer Zeit von unbeschreiblichem Wert. Dafür, dass diese Freundschaft bis heute aus Frankreich und Belgien gepflegt wird, darf ich ganz herzlich danken.

 

Mit Gerhard Geuder kam dann 1980 neuer Wind in den Verein, ganz viel Tatkraft und Leben, Ausflüge und musikalisches Neuland. Hier blühte Leben auf, das dem Dorf und der Region gut tat und tut, - manchmal fast zu viel des Guten.

 

Der Musikverein Zeitvertreib Ulsenheim unterstützte seit seiner Gründung auch die Ev.-lutherische Kirche hier im Ort, als deren Vertreter ich heute hier sprechen darf. Dafür, dass ich hier sprechen kann, und dafür, dass der Musikverein diese Kirche immer unterstützt hat, sage ich danke!

 

Und umgekehrt möchte ich schon auch darauf hinweisen, dass dieses Dorf schon zu Lebzeiten Luthers von der ev. Kirche mitgeprägt war und – aller Säkularisation und allen Kirchenaustritten und anderer Widrichkeiten zum Trotz – m.E. eine ganz wichtige Rolle spielt. Wenn das „Herz“ nur noch mit Äußeren gepflegt, mit Konsum, Rationalismus, Profitstreben und Haligalli gefüttert wird, dann wird es früher oder später verkümmern. Dort, wo Spiritualität in einer guten Art und Weise gelebt wird, und die Verbindung zur Tiefe des Seins gelingt, wird das Herz aufblühen. Und in einer Zeit, in der alles zu brechen droht, bleibt die Beziehung zu Gott letzte, unantastbare  Grundlage des Lebens.

 

Dem MZU und uns allen möchte ich als Weggeleit für die Zukunft Gedanken eines unumstrittenen Vertreters der Ev. Kirche, nämlich von Dietrich Bonhoeffer, mitgeben und seine Worte als Gebet in dieses Festzelt stellen. Ich bitte Sie dazu sitzen zu bleiben, aber still zu werden: 

 

Dietrich Bonhoeffer, Silvester 1944

 

1. Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

 

Refrain:
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

 

Amen

Am Ende einer Andacht steht der Segenswunsch. Segen ist ein Angebot. Man muss ihn wahrnehmen und aufnehmen, erst dann entwickelt  er seine Kraft. Und mit einem solchen Segenswunsch möchte auf die Reise schicken und damit meine Gedanken abschließen.

 

Das Christentum kam im 8. Jahrhundert mit den iroschottischen Mönchen nach Franken. Sie haben bereits vor 1200 Jahren gespürt, was Bonhoeffer in seinem Gedicht ausdrückte, und in ihren Segenswünschen formuliert. So geht nun mit einem iroschottischen Segenswunsch auf die Reise in diesen Festtag und in die kommende Zeit:

 

Möge dein Weg dir freundlich entgegenkommen,

möge der Wind dir den Rücken stärken.

Möge die Sonne dein Gesicht erhellen und der Regen um dich her die Felder tränken.

Und bis wir beide, du und ich, uns wiedersehen, möge Gott dich schützend in seiner Hand halten.

Amen.

 

 

Eingestellt 220706

 

© Dr. W. Kornder