Hinweis zur nächsten Mundartpredigt:
Die nächste Dialekt-Predigt werde ich an der Ulsenheimer Kerm am 11. Sept. 2022 um 9.00 Uhr in der Ulsenheimer Kirche halten. Es geht um den Umgang mit unserer Umweltkrise.
Eingestellt: 220830
© Dr. W. Kornder
Mundartpredigten
Im Fränkischen sind Kirchweihlieder und -sprüche eine alte Tradition. Die Kerwaburschen verfassen dabei für Ihre Umzüge zu jeder Kirchweih neue Verse, zunehmend gibt es neuerdings auch weltliche "Kerwapredigten" im Laufe des "Kerwa"-Umzuges. In dieser rein weltlichen Tradition, allerdings ohne die damals noch nicht üblichen weltlichen Kerwapredigten, bin ich groß geworden.
Angeregt durch meinen Mentor, Regionalbischof a.D. Christian Schmidt, habe ich dann während meiner einjährigen Vikariatszeit Ende der 80er Jahre meine erste Mundartpredigt gehalten. Diese Praxis führe ich seit 2011 in meinen Heimatgemeinden fort. Die bislang entstandenen und gehaltenen "Kerwa"-Predigten finden sich unten.
Der Umgang mit unseren Dialekten, die etwas Wertvolles sind, weil sie das Lokalkolorit und damit etwas ganz Individuelles wiederspiegeln, ist auch in religiöser Hinsicht ungemein interessant. Bei dem Versuch das Schriftdeutsche im Dialekt auszudrücken, merkt man, dass manches nicht geht und anderes sich mit wenigen Begriffen aus dem Dialekt ganz pointiert darstellen lässt, weil eine andere Gedankenwelt dahinter steht. So ist ganz auffällig, dass wir im Fränkischen z.B. kein Hauptwort für "Glaube" haben; das hierbei ersatzweise verwendete Verb "glauben" ("gläm") spiegelt das Prozesshafte, nicht das Abstrakte wieder, und ist damit viel näher am Geschehen.
Auch dogmatisch finden sich solche Züge: Wenn ich das richtig empfinde, dann zeigt sich auch in der Christologie ein fränkische Eigenart, wo m.E. "Christus" eher ein Fremdwort ist, das auch in der Häufigkeit der Verwendung weit hinter "Jesus" zurücksteht. Das Reden von (und mit) "Jesus" ist irgendwie gängiger. Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass der Mensch in "Jesus Christus" im Fränkischen im Vordergrund steht?
Auch wenn es nicht ganz einfach ist, Dialektpredigten zu lesen, wünsche ich viel Erfolg und Freude dabei. Die letzten Mundartpredigten 2016, 2017 und 2018, die ich jeweils angpasst in unseren Gemeinden Ulsenheim, Herbolzheim (und Uttenhofen) gehalten habe, habe ich erstmals als Audio-Datei unten online gestellt. Die letzte Predigt vom 9. Sept. 2019 in Ulsenheim, die sich um das Volksbegehren rankt, habe ich nur in Schriftform eingefügt.
Dialekte: Verbindend Individuelles
Inzwischen ist ja auch die Bildungsbranche darauf aufmerksam geworden, dass Dialekte und seltenere Sprachen immer mehr verschwinden und angesichts dieses Befundes gefördert werden sollten. Der Rückgang der Dialekte ist bedingt durch unsere Medienwelt, in der nur hochdeutsch gesprochen wird, dazu kommt der Einfluss der Schule und vielleicht am wesentlichsten die Globalisierung. So trifft man mitten in den fränkischen Dörfern, selbst in Familien in denen noch fränkisch gesprochen wird, immer mehr Hochdeutsches. Ich bedauere diese Entwicklung hin zu einer Vereinheitlichung, einer Art Gleichmacherei, in der einfach viel Gewachsenes und verbindend Individuelles auf der Strecke bleibt. "Verbindend individuell" sind im Gegensatz zum reinen Individualismus, in dem einfach jeder macht, was er will, Ausdrucksformen in Sprache und Kultur, die von einer größeren Gruppe über begrenzte Interessensgebiete wie einer gemeinsam ausgeübten Sportart oder dem gemeinsamen Musizieren hinaus geteilt und gelebt werden. In diesen Mikro-Kosmen fungieren sie als Klammer und geben Identität, grenzen aber, wie überall, wo Identität entsteht, auch ab und im Negativfall auch aus. Ziel könnte eine Mehrsprachigkeit sein, in der einerseits der Weltbürger und andererseits der Regional-Bürger seinen Platz hat, wie das ja in vielen Kulturen gelebt wird.
Mehrsprachigkeit - Vorbild Tanzania
Die Verwendung mindestens zweier Sprachen oder Dialekte, die sich gravierend unterscheiden, habe ich in Tanzania in den 80ger Jahren kennengelernt. Dort konnten alle ihre Stammessprache (es gab damals über 120 unterschiedliche Dialekte/Sprachen, Großteils Bantu-Sprachen, ca. 10% andere) und dazu oft zwei weitere, nämlich das Kiswahili und ggf. das Englische. Kiswahili war dabei neben dem Englischen die offizielle Staatssprache. Dieses Nebeneinander war damals ganz normal.
Warum sollte das nicht auch bei uns in Franken möglich sein?
Eingestellt: 16
Aktualisiert: 200223
© Dr. W. Kornder