Fast immer mit Pokerface, beherrscht, vernünftig. Doch wo bleibt das "Gewissen"? (Foto Pixabay)
Fast immer mit Pokerface, beherrscht, vernünftig. Doch wo bleibt das "Gewissen"? (Foto Pixabay)

Putins Aggression in der Ukraine

Was jetzt? 

 

Die Welt ist vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Febr. 2022 geschockt. So gut wie niemand hatte damit gerechnet. Standards einer zivilisierten Welt, demokratische ohnehin, wurden durch Putin einfach über den Haufen geworfen und missachtet. Er macht, was er will, und begründet das, was sich nach allgemeiner Ansicht nicht begründen lässt, mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten. 

 

 

Hoffnung auf die Vernunft?

Vor vielen Jahren hatte ich mit einem Freund einen Disput über den Frieden in Europa, in der Welt. Er vertrat die Ansicht, dass zunehmende Bildung Krieg immer unwahrscheinlicher mache. Der gebildete Mensch könne mit seiner Vernunft abwägen und auch in Krisenfällen angemessene Lösungen finden. 

 

Ich widersprach damals, weil nach meiner Erfahrung (und nach der Grundeinsicht der Psychoanalyse) der Mensch letztlich nicht von der Vernunft bestimmt wird. Es sind andere Ebenen, die uns Menschen immer wieder bestimmen, Ebenen, die skrupellos sein können, die kein "Gewissen", keine "Haltung" haben, die eigenen, willkürlichen Gesetzen und Werten folgen. 

 

 

Gewissen, Haltung ... 

Unser Gewissen bekommen wir nicht in die Wiege gelegt, es entwickelt sich. Und was da als Ergebnis herauskommt, ist offen. Im günstigen Fall ist es von menschlichen, von humanistischen, von christlichen Werten geprägt. Putin hat eiskalt getäuscht und getrixt und ordnet menschliche Werte seinen Zielen, seinen Machtinteressen, unter. Menschenleben, die Freiheit eines Volks, die Freiheit seines Volkes zählen nicht. Ein "Gewissen" oder eine "Haltung" im positiven Sinn der Worte sucht man vergebens. 

 

Wie entwickelt sich ein Mensch derart gewissenlos? - frage ich mich und will es gar nicht erst versuchen, darauf eine Antwort zugeben. Denn das ist uns Außenstehenden wohl kaum möglich. Aber was wir können, ist uns selbst wahrzunehmen. Das, was ich empfinde, was ich fühle, wie andere auf mich reagieren, welche Atmosphäre ich erzeuge ..., das alles sagt mir etwas über mich. Und manchmal reden mir auch Außenstehende ins Gewissen. Und damit kann ich mich dann auseinandersetzen. Dort, wo diese (innere) Auseinandersetzung ehrlich geführt wird, wächst etwas, werden wir reifer, entwickelt sich "Gewissen", erarbeiten wir uns eine "Haltung". 

 

 

Was fühlt Wladimir Putin? 

Was fühlt dieser Mann, der eigentlich immer ein Pokerface aufgesetzt hat, der oft in der Rolle des harten Kämpfers daherkommt?

Wer redet diesem Machtmenschen ins Gewissen? Oder traut sich das schon lange keiner mehr? 

Wer hilft ihm, "Gewissen" zu entwickeln, eine menschliche "Haltung" zu zeigen und als Mensch zu reifen?    

Wer ...?  

 

 

Und jetzt?

Man wird nicht umhin kommen, ihm Paroli zu bieten - vielleicht auch militärisch - , man wird nicht daran vorbeikommen, ihm wo immer möglich Grenzen zu setzen. Ganz häufig höre ich von "Vergeltung", z.B. durch Wirtschaftssanktionen. Aber die entscheidende Ebene wäre dieses Innenleben. Und an diese Ebene kommt man nicht mit Vergeltung, nicht mit Argumenten, nicht mit Vernunft. 

 

Mich erinnert diese Situation an die Versuchung Jesu in der Wüste (Mt 4,1-11): Jesus ist nicht auf die Versuchungen eingegangen, er hat in dieser Situation "Haltung" bewahrt, ist seinem "Gewissen", seinem Glauben gefolgt. Uns wird wohl kaum etwas anderes übrig bleiben, als dem eigenen "Gewissen" treu zu bleiben, die eigene "Haltung" zu bewahren, um nicht dahin abzugleiten, wo Putin steht.

 

Damit bilden wir zumindest einen Gegenpol. Ob dieser Gegenpol Putin je erreicht? - Ihn wohl kaum, aber vielleicht die Menschen in der Ukraine und vielleicht auch in Russland. Allein das wäre schon etwas wert. 

 

Eingestellt 220225

© Dr. W. Kornder